Am 10. Juni 2023 gelingt Sophie Triquart ein historischer Erfolg: Sie wird als erste Tennisspielerin des SV Zehlendorfer Wespen Deutsche Jugendmeisterin im Einzel. Doch wer genau ist Sophie eigentlich und was zeichnet sie aus?
Von Julian Schleicher
Spulen wir die Zeit ein paar Wochen zurück. Es ist 7.00 Uhr früh an einem gewöhnlichen Montagmorgen im Frühling. Die Anlage der Zehlendorfer Wespen ist zu dieser Zeit in der Regel wie ausgestorben. Einzig auf Platz 6 herrscht jedoch schon ein reger Betrieb: Sophie absolviert ihre erste Trainingseinheit der Woche und spielt mit ihrem Trainer, Akhem Khan. 36 Stunden zuvor stand sie noch im norwegischen Oslo auf dem Tennisplatz und konnte ihr erstes großes internationales Jugendturnier der Tennis-Europe-Serie gewinnen - ihr bis dato größter Erfolg. Für Sophie bedeuten solcherlei Turniersiege keinen Anlass für eine Trainingspause, sondern erzeugen bei ihr die Motivation, sich weiter zu verbessern. Insgesamt trainiert sie mindestens einmal pro Tag auf dem Tennisplatz und hat zusätzlich zweimal pro Woche Konditionstraining. An den Wochenenden spielt sie für unsere erste Damenmannschaft und unsere Jugendmannschaften oder ist auf Turnieren im In- und Ausland unterwegs.
Begonnen hat ihre Tenniskarriere nach einem kurzen Abstecher zum Ballett im Alter von vier Jahren, inspiriert durch ihre Mutter Maria und ihren zwei Jahre älteren Bruder Felix, der ebenfalls ein sehr erfolgreicher Tennisspieler ist, zahlreiche nationale und internationale Jugendturniere gewonnen hat und seit jeher eng verwurzelt mit den Zehlendorfer Wespen ist. Ihre ersten Schritte auf dem Tennisplatz machte sie, wie viele junge Wespen, im Tenniskindergarten bei Wera Herman. Schon in der ersten Trainingsstunde fiel Wera unter den vielen Kindern ein kleines, fröhliches blondes Mädchen auf, das auf beeindruckende Art und Weise die Schlagbewegungen von Vor- und Rückhand nahezu flüssig und sauber nachmachen konnte. Auch Sophie erinnert sich gerne an diese Zeit zurück, nicht nur an den auf Anhieb bei ihr vorhandenen Spaß am Tennissport, sondern auch an das freudige Herumalbern mit den anderen Kindern.
In den folgenden Jahren hat Sophie die Jugendförderung des Vereins durchlaufen und mit einer Vielzahl von Erfolgen, wie etwa dem Gewinn der Nordostdeutschen Hallenmeisterschaft, auf sich aufmerksam gemacht. Mit zehn Jahren ist sie für ein paar Monate in die Emilio Sanchez Academie nach Barcelona gezogen, um ihr Trainingspensum weiter zu erhöhen. Bei den Zehlendorfer Wespen trainiert sie heute mit Julian Freundenreich, Julian Heikenfeld, sowie Akhem Khan, nimmt an den Einheiten der ersten Damen bei Stephan Schulte teil, hat Konditions- und Athletiktraining bei Oliver Riemer und wurde in der Vergangenheit auch von Karsten Weigelt betreut.
Die vergangenen Monate von Sophie lesen sich wie eine einzige Erfolgsgeschichte, bei der sich zahlreiche sportliche Highlights aneinanderreihen. Im Winter gewann sie als Zwölfjährige die Berliner Hallenmeisterschaften in der Altersklasse U18, neben dem erwähnten Erfolg in Oslo triumphierte sie ebenfalls beim internationalen Jugendturnier in Stettin (Polen), wurde schließlich als Nummer zwei der Deutschen Jugendrangliste U13 in den Landeskader des Deutschen-Tennisbundes berufen und hat ihren ersten großen Sponsorenvertrag mit dem internationalen Sportartikelhersteller „Head“ abgeschlossen. Ein weiteres großes Ziel hatte sie dabei jedoch immer vor Augen: Den Sieg bei den Deutschen Meisterschaften.
Anfang Juni brach Sophie mit ihrer Mutter nach Ludwigshafen auf, wo traditionell seit Jahren die deutschen Jugendmeisterschaften ausgetragen werden. An Position eins gesetzt, startete sie als eine der Favoritinnen in das Turnier und gewann ihre ersten drei Spiele ohne Probleme. Auch ihre Gegnerinnen im Viertel- und Halbfinale hatten Sophie nichts entgegenzusetzen, die beide Partien glatt in zwei Sätzen für sich entschied. Im Finale wartete mit Tina Manescu (Heidelberger Tennis-Club 1890 e.V.) eine variantenreiche und spielintelligente Gegnerin, gegen die Sophie im vergangen Jahr noch im Finale unterlegen war. Von Anfang an entwickelte sich ein Match auf sehr hohem Niveau mit langen Ballwechseln. Sophie legte schnell ihre Nervosität ab und schaffte es mit cleveren Winkelschlägen und vielen Rückhandwinnern die Oberhand zu gewinnen. Nach fast zwei Stunden Spielzeit verwandelte sie ihren ersten Matchball und hatte ihr großes Ziel erreicht: Deutsche Meisterin!
Das Gerüst für diesen herausragenden Erfolg und die positive Entwicklung von Sophie stützt sich auf das Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Eine große Stärke von ihr ist neben dem vorhandenen, außergewöhnlichen Talent ihre grenzenlose Motivation. Ihr Trainer Julian Heikenfeld, von dem sie liebevoll „kleine Hexe“ genannt wird, attestiert ihr eine „für ein Kind absolut professionelle Trainingseinstellung.“ Gleichzeitig bieten ihr die Zehlendorfer Wespen ein Umfeld, in dem sie sich uneingeschränkt wohlfühlt. „Der Verein ist für mich wie ein zweites Zuhause, die Menschen sind alle sehr nett und die Trainer sind fachlich sehr gut und haben eine lockere Art.“ Mit ihrem frechen, schelmischen Lächeln fügt sie hinzu: „Am meisten Spaß macht es, mit den anderen Spielerinnen beim Training zu lachen.“ Fragt man Sophie aber nach ihren weiteren sportlichen Zielen, kehrt schnell die Entschlossenheit in ihren Blick zurück. In naher Zukunft möchte sie auf der ITF-Juniortour erfolgreich sein, auf der sie ab dem kommenden November gemäß der entsprechenden Altersregularien spielen darf, und viele Siege für die erste Damenmannschaft der Zehlendorfer Wespen einfahren. Langfristig hat sie das ambitionierte Ziel, die Nummer eins der Weltrangliste bei den Damen zu werden, wie einst ihr großes Vorbild, Maria Scharapowa. Ein anderer wichtiger Erfolgsfaktor ist ihr soziales Umfeld. Neben ihren Aktivitäten auf dem Tennisplatz nutzt sie die wenige verbleibende Zeit, um das ganz normale Leben eines zwölfjährigen Mädchens zu führen. Sie lebt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder im vereinsnahen Kleinmachnow, besucht die sechste Klasse der Eigenherd-Schule, geht mit ihren Freunden ins Freibad Kiebitzberge und spielt gerne mit ihrem Patenhund Ennio.
In einem Gespräch ein paar Tage nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft antwortet Sophie auf die Frage nach der Bedeutung dieses Sieges für sie: „Das ist der größte Titel, den man in Deutschland in der Jugend gewinnen kann. Und so einen Titel vergisst man nicht.“ Die Besonderheit und der hohe Stellenwert dieses Erfolges werden deutlich, wenn man auf die Historie der Zehlendorfer Wespen blickt. Der Gewinn einer Deutschen Jugendmeisterschaft im Einzel wird dort mit dem Erfolg von Florian Loddenkemper aus dem Jahr 1984 erst einmal aufgeführt. Sophie wird also mit ihrer Aussage Recht behalten: Dieser Titel wird immer unvergessen bleiben.
